íŕ ăîëîâíó ńňîđłíęóPostsowjetischer Zentralismus
versus
Föderalismus, Regionalismus -
Der Fall Ukraine.

Deutsch-ukrainisches Seminar (Studienhaus Wiesneck)
7.09 - 8.09.2002

óęđŕżíńüęŕ Ukrainisch

Im Rahmen des deutsch/französischen und ukrainisch/polnischen Projektes “GESPRÄCH ÜBER GRENZEN” veranstaltet das Studienhaus Wiesneck vom 06. bis 10. September 2002 ein Seminar für Teilnehmer aus den beiden europäischen Grenzregionen. Arbeitstitel:

Postsowjetischer Zentralismus
versus
Föderalismus, Regionalismus -
Der Fall Ukraine.

Das Projekt “GESPRĂ„CH ĂśBER GRENZEN” entstand 1997 im Rahmen des Kulturaustauschs zwischen den Partnerstädten Freiburg und Lemberg. Nach den beiden ersten deutsch/ukra-inischen Tagungen in Freiburg 1997 und Lwiw 1998 fand dann vom 22. bis zum 25. Mai 2001 in Lwiw und Przemysl eine internationale Konferenz zur kĂĽnftigen AuĂźengrenze der EU statt - “WAS FOLGT AUF DIE OSTERWEITERUNG DER EUROPĂ„ISCHEN UNION – DER FALL POLEN/UKRAINE”. Alle bisherigen Veranstaltungen wurden dokumentiert in zwei- bzw. viersprachigen Sonderausgaben der ukrainischen Zeitschrift fĂĽr Politik und Kultur “ ĂŹ â€ť, Nr. 11, 12 und 20. Träger des Projektes sind in Lwiw die NGO “ ĂŹ â€ť (u.a. gefördert von der Heinrich-Böll-Stiftung) und in Freiburg die West-Ost-Gesellschaft SĂĽdbaden (in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt Freiburg).

Zum Inhalt:

Die Aktualität: Das Thema “Föderalismus” kam in der Ukraine nicht als ein akademisches auf, sondern als Resultat höchst konkreter Problemstellungen. Im Falle Lwiw: Die städtischen wie auch die Oblast-Behörden haben wenig Möglichkeiten, auf eigene Faust und grenzüberschreitend mit den polnischen Nachbarn zu kooperieren. In den meisten Fällen schreibt die zentralistische Verfasstheit des postsowjetischen Staates Ukraine die administrativen und politischen Umwege über Kiew vor, wo in der Tat sehr wenig Vorstellung über die Realität der westlichen Grenzregion, dafür umso mehr Vorurteile gegen föderalistische bzw. regionalistische Tendenzen existieren.

Diese Vorurteile entspringen aus zweierlei Ă„ngsten:

Einmal aus der (vormals) sowjetischen Furcht vor jeder regionalen/lokalen Eigeninitiative, die damals automatisch als “Vendée”, als “Nationalismus”, “Separatismus”, als geheimes Wirken des Klassenfeindes und als Versuch, die Moskauer Zentral-Macht zu unterminieren, beargwöhnt, bekämpft und aufs Schärfste verfolgt wurde. Derartige Eigenständigkeit widersprach der dogmatisch verstandenen egalitären Sowjet-Ordnung und dem Prinzip der totalen Kontrolle, auf das sowohl Staat als auch Partei eingeschworen waren. In dieser Tradition argumentieren auch heute immer noch sämtliche Links-Parteien und die “Partei der Macht”.

Dazu kommt zweitens auf der rechten Seite des politischen Spektrums die Furcht um die fragile und “junge” Staatlichkeit der Ukraine. Alle nationalistisch orientierten Parteien und Medien pflegen ihren Argwohn gegen “separatistische” Eigenständigkeiten beispielsweise auf der Krim oder im Donbas oder in den transkarpathischen Gebieten und fordern eine absolute Konzentration der Macht in der Hauptstadt Kiew.

In den ersten Jahren der Unabhängigkeit scheiterten an den oben genannten Vorurteilen sämtliche Versuche, föderalistische Ideen aus den Vereinigten Staaten oder Westeuropa für ihre Anwendung in der Ukraine zu überprüfen. Das hat sich inzwischen geändert. Denn immer deutlicher zeigt sich, dass die “Partei der Macht” die Ängste um die gefährdete Staatlichkeit zum Zweck des bloßen Machterhalts instrumentalisiert hat. Wenn irgendwo im Land angebliche “separatistische Tendenzen” denunziert werden, sind in Wirklichkeit oft nur demokratische Tendenzen gemeint, Elemente kommunaler und regionaler Selbstverwaltung, unternehmerische Eigeninitiative, grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Pflege regionaler Besonderheiten etc.

In Galizien hat sich die Debatte um die Entwicklung einer gewissen regionalen Eigenständigkeit und der Einführung föderalistischer Elemente in die ukrainische Politik an der Debatte um die künftige Ostgrenze der Europäischen Union entzündet. Gerade weil die (durch und durch nationalistischen!) Politiker aus der Westukraine erleben mussten, dass die “Partei der Macht” in Kiew keinerlei Verständnis für die Probleme der westlichen ukrainischen Grenzregion aufbrachte, interessieren sie sich nun für demokratische Modelle aus der westeuropäischen und amerikanischen Tradition, deren Anwendung in der Ukraine erlauben würde, eine mehr eigenständige, selbstverantwortliche und grenzüberschreitende Politik im Interesse der verschiedenen ukrainischen Regionen zu betreiben.

Das heißt: Die bisher verpönte und verteufelte Debatte über den Föderalismus ist nun tatsächlich eröffnet. Infolgedessen hat die Gruppe um Ji beschlossen, der ukrainischen Öffentlichkeit für diese Debatte das notwendige Material zu liefern. Einerseits im Rahmen der laufenden Lemberger Seminare, andererseits durch geeignete Publikationen, schließlich auch durch gemeinsame Projekte mit westeuropäischen Partnern.

Das geplante Wiesneck-Seminar (einschließlich der Vorarbeiten, die schon angelaufen sind, und die spätere Auswertung) soll vor allem Grundlagen klären und so die ukrainischen Teilnehmer befähigen, sich fundierter an der aktuellen ukrainischen Föderalismus-Debatte zu beteiligen, als das bisher der Fall ist. Die deutschen Teilnehmer erhalten die Möglichkeit, am Fallbeispiel Ukraine bestimmte politische Strukturprobleme der postsowjetischen Transformations-Staaten kennenzulernen und mit kompetenten Gesprächspartnern zu erörtern.

 


Programm:

Leitung:
Walter Mossmann, West-Ost-Gesellschaft, Freiburg
Dr. Dieter von Schrötter, Direktor des Studienhaus Wiesneck

Samstag, 7.9.02

09:15 Uhr BegrĂĽĂźung
Dr. Dieter von Schrötter
EinfĂĽhrung in das Seminar
Walter Mossmann
anschlieĂźend kurze Vorstellungsrunde

09 :45 Uhr ...ET INDIVISIBLE! – Modell République Française
Alexis von Komorowski, Universität Freiburg

11:30 Uhr FÖDERALISMUS –Modell Bundesrepublik Deutschland
Dr. Ulrich Eith, Studienhaus Wiesneck

15:00 Uhr EIDGENOSSEN – Modell Confoederatio Helvetica
Dr. Dieter von Schrötter

16:00 Uhr EUROPA DER REGIONEN? – die regionalistischen Bewegungen der 70er Jahre und die Folgen
Walter Mossmann

17.30 Uhr BUNDESSTAAT, STAATENBUND – wohin steuert die Europäische Union?
Fred W. Elsner M.A, Studienhaus Wiesneck

19:30 Uhr DIE ZERREISSPROBE – nationbuilding und unterschiedliche Regionalentwicklung in der Ukraine
Sergij Maxymenko, Ost-West-Institut Kyjiw

Sonntag, 8.9.02

09:15 Uhr MAIRE ODER GOUVERNEUR – die Spielräume der kommunalen Selbstverwaltung, Beispiel Lwiw,
Taras Wozniak, Stadt Lwiw

11:15 Uhr GRENZÜBERSCHREITUNG AUF EIGENE FAUST – eine Chance für Galizien?
Andrij Pawlyschnyn, Lwiw, Journal „i“

14:00 Uhr Der Oblast Transkarpathien als Experimentierfeld fĂĽr ein regionales grenzĂĽberschreitendes Entwicklungsmodell in der Ukraine
Myroslawa Lendel (Uzhgorod)

15:00 Uhr SchluĂźdiskussion
Leitung: Walter Mossmann